Moschee in Miesbach, © Stadt Miesbach
Iftaressen, © DITIB Miesbach

Zeit der Besinnung

Es ist kurz vor halb sieben Uhr abends, dichte Wolken hängen über Miesbach. Die Straßen sind weitgehend leer, aber am Windfeld parken viele Autos, Grüppchen von Menschen laufen geduckt durch den Regen zu einem ganz bestimmten Gebäude. Es ist die Moschee der türkisch-islamischen Gemeinde DITIB in Miesbach und alle sind gekommen, um gemeinsam das heutige Fasten zu brechen.

 

Schon vor den Türen der Moschee steigt einem der Duft von gutem Essen in die Nase. Durch ein kleines Fenster erhascht man einen Blick in die Küche, in der es von Menschen wuselt, die schnippeln, in großen Töpfen rühren und Essen in Behälter schichten. Die Vorfreude steigt schon da, bald die Köstlichkeiten die dort zubereitet werden, essen zu dürfen. Doch das ist wohl nichts im Vergleich zu der Vorfreude, welche die Muslime auf diese Mahlzeit haben, denn sie haben seit den frühen Morgenstunden verzichtet. Es herrscht Ramadan, der traditionelle Fastenmonat im Islam, in welchem die Gläubigen von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang Essen, Trinken und alle anderen Genussmittel fasten. Der „Monat der Besinnung“ ist eine der fünf Säulen der Glaubensrichtung - neben dem Glaubensbekenntnis, dem Gebet, der Armensteuer und der großen Wallfahrt nach Mekka.

 

Eine interkulturelle Tradition

Das Fastenbrechen, das sogenannte „Iftar“, ist das Mahl am Abend, das während dem Ramadan nach Sonnenuntergang verzehrt wird. Meistens wird es im Rahmen der Familie zuhause oder mit Freunden zelebriert, in der türkisch-islamischen Gemeinde DITIB in Miesbach auch jeden Abend gemeinsam in der Moschee. Einmal in dieser Zeit, welche heuer vom 10. März bis 9. April begangen wird, wird zum interkulturellen Iftar eingeladen, bei welchem sowohl praktizierende Muslime, als auch nicht-muslimische Gäste eingeladen werden, bei diesem besonderen Ereignis dabei zu sein. Das erste gemeinsame Fastenbrechen fand im Oktober 2006 in der Aula der Mittelschule Hausham statt. Damals gründete sich das Netzwerk Integration und seitdem werden die Netzwerkmitglieder jährlich eingeladen. „Es ist ein sehr intensives Erlebnis“, sagt der Vorsitzende des Vereins PIA für Integration und Migration, Max Niedermeier. Es sei eine schöne Geste der türkisch-islamischen Gemeinde und biete die Möglichkeit, sich kennenzulernen und das Fastenbrechen live mitzuerleben und Einblicke in die Religion zu bekommen.

 

Einblick in die Moschee

Einmal durch die Türen der Moschee getreten, ist man auch gleich mittendrin. Zahlreiche Menschen tummeln sich in der Eingangshalle, es wird sich herzlich gegrüßt, die Gäste werden willkommen geheißen. Kurz darauf geht es für alle die Treppen nach oben in die Gebetsräume der Moschee. Alle nehmen sich eine Dattel oder einen Becher Wasser mit nach oben, denn traditionell wird damit das Fasten nach dem Gebet gebrochen. „Dies geht zurück auf unseren Propheten Mohammed, der ebenfalls mit einer Dattel sein Fasten gebrochen hat“, erklärt Fatma Bostan. Sie ist die Frau von Ertugrul Bostan, der gemeinsam mit dem Elternverbandsvorsitzenden Müjdat Bekdemir und dem Vorsitzenden des Vereins Ercan Ugurlu die Vorstandschaft der türkisch-islamischen Gemeinde DITIB in Miesbach bildet.

Die Gebetsräume der Moschee sind vom Boden bis zur Decke prachtvoll gestaltet. Bunte Teppiche, Ornamente an den Wänden und ein großer Kronleuchter in der Mitte der Decke. Die Männer beten im unteren Bereich, die Frauen sind ein Stockwerk höher, blicken über eine Art Galerie nach unten in den Saal. Die Schuhe werden vor den Gebetsräumen ausgezogen, die Frauen tragen sogenannte Hijabs in den verschiedensten Farben und Mustern zum Gebet, ein Gewand welches die Haare, den Hals und den Oberkörper bedeckt. Die Stimmung ist losgelöst, kleine Kinder hüpfen umher, bis der Imam zum gemeinsamen Gebet ruft. Ahmet Demir steht der 330 Mitglieder zählenden Gemeinde in Miesbach seit etwa einem Monat als Imam vor und spricht als Vorbeter aus dem Koran, der Heiligen Schrift des Islam. Mit den verschiedenen Gebeten hängen bestimmte Haltungs- und Bewegungsabläufe zusammen, welche die gesamte Gemeinde gemeinsam praktiziert. Der Koran ist in insgesamt 114 Abschnitte, sogenannte Suren, aufgeteilt. Im Ramadan wird täglich zum Mittagsgebet ein solches Kapitel vom Imam in der Moschee vorgetragen, auch in Miesbach. Wer es nicht in das Gebetshaus schafft, betet die einzelnen Suren selbst. So wird in der Fastenzeit, welche 30 Tage lang geht, die gesamte Heilige Schrift gelesen.

 

Das gemeinsame Fastenbrechen

Nach dem gemeinsamen Gebet ist der erste Schluck Wasser und die süße Dattel ein sichtlicher Genuss für die Gläubigen. Dann geht alles ganz schnell, die Treppen hinunter und angestellt für die Essensausgabe. Den Frauen und Kindern wird in Miesbach der Vortritt gelassen. Alle bekommen das gleiche auf die Teller: eine leckere Suppe, Reis, eine Art Eintopf, Salat mit Zaziki und als Nachtisch ein Baklava, ein wunderbar süßes Gebäck. Bei jedem Iftaressen gibt es einen anderen Nachtisch. „Das besondere in der Gemeinde hier ist, dass immer eine andere Familie für die Nachspeisen zuständig ist“, erklärt Fatma Bostan. Der Speisesaal ist schön gedeckt und dekoriert, auch diese und die Vor- und Nachbereitung des gemeinsamen Fastenbrechens in der Moschee wird immer wechselnd unter den Familien aufgeteilt. „So lastet die ganze Arbeit nicht nur auf den Schultern von ein paar wenigen.“

Angeregt wird sich beim Essen unterhalten, es herrscht eine losgelöste Stimmung. Die Gäste sitzen zwischen den Muslimen – „es ist einfach schön das so zu sehen“, freut sich Max Niedermeier. Für ihn symbolisiert das interkulturelle Fastenbrechen eine Brücke die zwischen den Kulturen geschlagen wird, um das Verständnis füreinander, für die Traditionen, den Glauben und dem Verhalten des anderen zu fördern. „Wenn ich verstehe, dass ein Muslim den ganzen Tag auf Essen und Trinken verzichtet, dann kann ich etwa auch im Arbeitsumfeld mehr Verständnis für ihn aufbringen in der Zeit des Ramadan.“ Auch werden in die Moschee die Nachbargemeinden zum gemeinsamen Iftar eingeladen, es gibt ein Jugend-Iftar und sogar ein Kinder-Iftar. „Die Kinder essen dann gemeinsam zu Mittag in der Moschee und der Imam erklärt ihnen die Abläufe. Meistens haben sie dann den Vormittag über gefastet“, sagt Fatma Bostan. Schwangere, Kranke und Kinder bis zur Pubertät sind von der Fastenpflicht eigentlich ausgenommen, dürfen aber wenn sie möchten teilnehmen, so lange sie können.

 

Reinigung von Körper, Geist und Seele

Im Anschluss an das gemeinsame Abendessen findet das Nachtgebet statt, eines der insgesamt fünf Gebete pro Tag. Kurz vor der Morgendämmerung nehmen die Muslime dann das sogenannte Suhur zu sich, das letzte Mahl vor dem Sonnenaufgang, bevor es wieder verzichten heißt. Zum Ende der Fastenzeit wird dann drei Tage lang das Ramadanfest „Ramazan Bayrami“ gefeiert, wo gemeinsam gegessen und sich beglückwünscht wird. Doch im Ramadan geht es um mehr als den Verzicht auf Nahrung, Trinken und Genussmittel. „Es geht darum, sich wieder zu besinnen, Geduld zu lernen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was man bereits alles im Leben hat.“ Auch das eigene Verhalten, wie man mit anderen Menschen spricht und seinen Körper behandelt steht im Fokus der Fastenzeit. „Eine Reinigung von Körper, Geist und Seele“, nennt es Fatma Bostan.

 

Info: Am 3. Oktober jedes Jahr ist „Tag der offenen Moschee“ in ganz Deutschland. Interessierte können an diesem Tag auch die Moschee der türkisch-islamischen Gemeinde DITIB in Miesbach besuchen, sich herumführen und den Islam erklären lassen. Eine gute Gelegenheit, um interessante Einblicke in diese Religion und Kultur zu bekommen.

 

Text: Selina Benda
Fotos: DITIB Miesbach, Stadt Miesbach

Impressionen

Moschee in Miesbach, © Stadt Miesbach
Moschee in Miesbach

© Stadt Miesbach

Iftaressen, © DITIB Miesbach
Iftaressen

© DITIB Miesbach

Interkulturelles Iftaressen, © DITIB Miesbach
Interkulturelles Iftaressen

© DITIB Miesbach

Iftaressen, © DITIB Miesbach
Iftaressen

© DITIB Miesbach

Iftaressen, © DITIB Miesbach
Iftaressen

© DITIB Miesbach