Stechpalme 3, © Hartmut Wolf
Stechpalme 2, © Hartmut Wolf

Baum des Jahres 2021

STECHPALME

 

2021 steht mit der Stechpalme eine besondere, interessante Pflanze im Fokus der Öffentlichkeit.

 

Baum des Jahres 2021

Jedes Jahr im Oktober ist es wieder soweit. Die „BAUM DES JAHRES – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“ bestimmt eine Baumart, die ein ganzes Jahr lang besondere Aufmerksamkeit erfährt. In diesem Jahr wurde die Stechpalme auserwählt – ein immergrüner Baum, der vor allem in Deutschland und England lange aus dem Leben der Menschen nicht wegzudenken war. Heute ist die Stechpalme in freier Natur so selten geworden, dass sie unter Naturschutz steht. Mit dem Verschwinden des Baums geriet auch seine wahre Bedeutung für Mensch und Tier größtenteils in Vergessenheit.

 

Kein Baum wie jeder andere

Wer den eigenwilligen Baum einmal bewusst wahrgenommen hat, erkennt ihn sofort wieder. Er wächst meist wie ein Busch mit vielen Zweigen ab Bodenhöhe. Das Auffallendste sind seine Blätter: kräftig, ledrig und gezackt strahlen sie geradezu in tief-glänzendem Grün. Nur am Rand tragen sie ein schmales weißes Band. Wer in einen Baum hineingreift, macht Bekanntschaft mit den Zacken – was gar nicht ungefährlich ist, denn Blätter und Beeren sind giftig. Man sagt, dass 30 der kleinen roten Beeren einen Menschen töten können.

 

Europäisches Urgewächs

Die Stechpalme wächst schon seit Urzeiten in Westeuropa und Westafrika. Den meisten von uns ist die Stechpalme übrigens unter ihrem botanisch-lateinischen Namen „Ilex aquifolium“ bekannt. Dort, wo ein Ilex sich ungehindert ausbreiten kann, erreicht er die beeindruckende Höhe von 15 Metern. In Miesbach wird Ilex, wie in fast ganz Deutschland, in Gärten gepflanzt, oder man kann ihn in unterschiedlichster Form auf dem Waldfriedhof bewundern. Oft lebt er dort in Gesellschaft anderer Pflanzen und wird nicht höher als ein Wachholderstrauch. Ein riesiges Prachtexamplar steht übrigens ganz in der Nähe am Friedhofberg hinter dem Johannihaus (Tölzerstraße 6).

 

Futter für Bienen und Vögel

„Ohne Pärchen keine Beerchen“, weiß der Volksmund über den Ilex. Wer gleich zwei Stechpalmen pflanzt, kann diese Besonderheit bewundern: Ein Baum entwickelt sich zu einer männlichen Pflanze, der andere zu einer weiblichen.

Doch wer ist wer? Ilex-Pflanzen entwickeln im Mai kleine, weiße Blütenbüschel in den Blattachseln. Aber nur die weibliche Pflanze trägt im Herbst die roten Beeren, die Menschen einfach nur schön finden, Vögel aber zum Überleben brauchen: Für sie sind die Beeren ein willkommenes Winterfutter. Das Gift macht ihnen ebenso wenig aus, wie den Insekten, die den Baum anfliegen, wenn er blüht.

 

Christdorn

Seit christlicher Zeit ranken sich viele Legenden um den Ilex: Weil er an Ostern statt exotischer Palmwedel in der Kirche geschwenkt wurde, heißt er Stechpalme. Doch stärker als mit der Osterzeit ist der Ilex mit dem Weihnachtsfest verbunden. Da er früher in so großen Mengen wuchs, schlug man ihn zu Weihnachten in ganzen Wagenladungen und nutzte die Zweige des „Christdorn“ als herrlich grüne und frische Weihnachtsdekoration schon lange, ehe es Christbäume gab. Symbolisch erzählt der Christdorn vom Leiden Jesu: Die Stachelblätter stellen die Dornenkrone Christi dar und die Beeren die Blutstropfen des Herrn.

 

Hollywood und Huschelbusch

Gerade in den angelsächsischen Ländern ist diese Tradition noch so lebendig, dass man den Ilex dort zu Türkränzen bindet und ihn in Großbritannien und in den USA als Motiv auf Geschenkpapier oder auf Weihnachtskarten sieht. Im Englischen heißt der Ilex „Holly“. Das kann man sich leicht merken, denn übersetzt bedeutet Hollywood einfach Stechpalmenwald… Da das englische „Holly“ eng mit dem deutschen Wort „Hülse“ verwandt ist, ist es kein Wunder, dass man den Ilex früher auch Hülsstrauch, Hülshecke, Hülsenbusch oder sogar Huschelbusch nannte.

 

Schutz und Glück im Zeichen des Ilex

Vermutlich wurde die Stechpalme schon in vorgeschichtlicher Zeit als Baumaterial für die Einzäunung von Herden und für den Schutz von Gehöften und Dörfern verwendet. Daraus dürften sich die unterschiedlichen Rituale der Kelten und Germanen aus vor-christlicher Zeit entwickelt haben. So hängt man noch heute in Irland und Großbritannien Zweige der Stechpalme über der Haustür auf oder fegte an Weihnachten den Kamin mit Ilex-Zweigen, um böse Geister fernzuhalten, was der Stechpalme den Namen „Schornsteinfegerkraut“ eintrug. Übrigens schrieben schon die Römer dem Ilex positive Kräfte zu. Sie verschenkten die Zweige als Glücksbringer zu den Saturnalien, ihrem Mittwinterfest.

 

Geheime Kräfte?

In Frühzeit und Mittelalter nutze man die Stechpalme natürlich als Heilpflanze. Heute spielt „Holly“ eine Rolle in der Bachblütentherapie, wo sie als Pflanze gilt, die Neid und andere negativen Gefühle gegenüber anderen Menschen in Liebe verwandelt. Wenn man weiß, dass die Stechpalme eine Pflanze ist, die ihre Gestalt wandelt, ist der Gedanke nachvollziehbar. Denn immerhin tragen Stechpalmen nur in den untersten Zweigetagen stachelige Blätter –Wissenschaftler vermuten, dass der Ilex sich so vor dem Verbiss durch (Wild-)Tiere schützt. Je höher der Baum hinaufwächst, desto runder werden die Blätter nämlich.

 

Das Waxlawa

Vielleicht kennen Sie die Stechpalme auch unter ihrem bayrischen Namen als „Waxlawa“. Für alle, die es nicht wissen: „Wax“ ist bestes Bairisch; es bedeutet „spitz oder stachlig“ und „Lawa“ heißt Laub. Weil die Stechpalme nicht nur schön ist, sondern auch ein starkes Schutz- und Heilkraut, soll sie die Hüte dieses Geheimbundes geschmückt haben, dessen Geschichte eng mit Miesbach verbunden ist. Im Norden von Miesbach, im Mangfalltal bei Feldkirchen-Westerham, findet sich bis heute die „Blume der Haberer“ auf dem Stopselhut des Trachtenvereins „D´Mangfalltaler“. Inge Erb, die Gaupressewartin Gauverband I beschreibt, dass die Mangfalltaler den grünen Hut an den Festtagen mit dem Waxlawa und zusätzlich mit roten Moosröschen und der weißen Feder des Legkorngockels schmücken. Der Hut ist seit 1907 im Verein vorgeschrieben: Das Waxlawa erinnert an die Haberer. „Die roten Moosröschen symbolisieren noch heute das unnütze Blutvergießen aus alten Zeiten“, erklärt Inge Erb.

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Hartmut Wolf

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
Genussführung_Sonja_Still (2)
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