Überraschungen
Geht man über den Marktplatz und vorbei an den alten Häusern, die als denkmalgeschütztes Ensemble die gute Stube der Stadt umstehen, ahnt man in keiner Weise, welche Überraschungen diese architektonischen Veteranen verbergen.
„Hallo, hier bin ich“, ruft mir im ersten Stock des Kohlndorfer-Hauses eine junge Frau zu. Ich gehe durch den großen Flur des 1783 erbauten Hauses, das überraschend verwinkelt und weitläufig ist, betrete die Wohnung. Und staune. „Das ist zugleich meine Wohnung, mein Atelier und mein Ausstellungsraum“, erklärt Katharina Eisenberg mit einer weiten Geste.
Ein Raum für alle Fälle
Der Raum ist hell und geht in einen zweiten über. Auf den ersten Blick fallen die vielen großen Bilder ins Auge – ein Plätzchenteller steht einladend auf dem Tisch am Fenster. Für mich hat Katharina Eisenberg ein Weihnachtswasser bereitgestellt. Ich koste, die Eigenkreation mit Zimt und Orange schmeckt fein und ich kann mich schon einmal umsehen. In beiden Zimmern hängen die Wände voller großformatiger Bilder. Wo Platz ist, stehen kleine Bilder und bunte Figuren – alles Werke der jungen Künstlerin, die zum Verkauf stehen. Es riecht nach Acryl. Aufgewachsen in Schwabing in einem großen Mietshaus, in dem ein veritabler Kunstmaler seine Dachwohnung mit Ölgemälden füllte, fühle ich mich sofort zuhause.
In zwei Welten daheim
Ich darf zunächst die Bilder betrachten und sehe gleich drei Motive, die mich durch ihre unbekümmerte Farbigkeit und ihre energische Präsenz in Bann ziehen. „Ich bin ausgebildete Sängern und seit ein paar Jahren sind Bilder und Skulpturen dazugekommen “, erklärt Katharina Eisenberg und sieht mich mit ihren hellen klaren Augen aufmerksam an. Trotzdem hat die junge Frau bereits mehrere Bilder-Ausstellungen bestritten und dabei gute Erfahrungen gemacht. Ich frage mich, was eine so junge und kreative Frau nach Miesbach gebracht hat und erfahre eine ungewöhnliche Geschichte.
Eigene Wege gehen
Sie ist in Berlin geboren und dort aufgewachsen, hat anschließend 10 Jahre in Hamburg gelebt und dort Gesang studiert. Während und nach dem Studium arbeitete sie als klassische Sängerin und Stimmcoach, und wie es der Zufall wollte, führte sie eine Konzerteinladung nach Tegernsee. Und da ist es passiert: Die junge Frau, die bis dahin Bayern nur von einem fernen Urlaub mit den Eltern kannte, hat sich in die herrliche Natur des Oberlandes verliebt. „Ich hatte das Leben in der Großstadt schon länger satt“, gesteht sie. „Die vielen, vielen Menschen und Autos, das Gedränge, der Lärm, die Hektik… Wenn ich hier wandere oder auf einen Berg steige, dann bin ich innerlich ganz ruhig und bei mir.“
Da es mir ja ganz ähnlich erging, möchte ich natürlich wissen, wie Katharina Eisenberg der Anfang gelang. Sie wundert sich etwas über die Frage und sagt: „Nachdem mein Entschluss feststand und ich die Zelte im Norden abgebrochen hatte, bin ich auf Wohnungs- und Jobsuche gegangen. Ich habe mich bei Musikschulen hier und in Holzkirchen vorgestellt und dann ging es eigentlich schnell. Ich habe rasch zwei Chöre geleitet, einen Kinder- und einen Gospelchor für Erwachsene, und ich habe Schüler, die bei mir ihre Stimme ausbilden.“
Miesbach und die Wurzeln
Bei so viel Erfolg mit der Musik bin ich überrascht, dass ich nun inmitten einer Fülle von Bildern sitze. „Ja“, sagt Katharina Eisenberg. „,Meine Kreativität nutzt eben mehrere Wege. Mal bin ich musikalisch aktiver und mal braucht die bildende Kunst mehr Zeit und Raum. Da ich freiberuflich bin, kann ich zum Glück beides leben – wofür ich sehr dankbar bin.“ Spätestens jetzt denke ich zum ersten Mal. „Ganz schön mutig – das hätte auch schief gehen können.“ Als hätte sie meine Gedanken erraten, erzählt Katharina Eisenberg weiter: „Ich habe schnell Anschluss gefunden hier. Ich kenne einige Künstler, und über die Musik, auch viele andere Menschen. Ich fühle mich sehr wohl in Miesbach und liebe die Gassen der Altstadt und den Lebzelterberg, der mich immer an ein Städtchen am Mittelmeer erinnert.“
Spannende Entwicklungen
Mein Blick fällt auf ein ganz ungewöhnliches Bild. Im Gegensatz zu den sonst sehr bewegten Gemälden mit abstrakten Formen, zeigt es vor einem ruhigen grauen Hintergrund eine in exotische Gewänder gekleidete Marionette. „Nein“, wehrt sie sofort ab, als ich frage, ob das Bild verkäuflich ist. „Das Bild ist unverkäuflich. Es erzählt von meiner Großmutter, die als kleines Mädchen in Indonesien aufgewachsen ist. Sie führte dort als Tochter eines deutschen Arztes ein ungewöhnliches Leben, da sie sehr engen Kontakt zu den Ureinwohnern hatte. Sie besaß auch viele Reliquien, wie etwa jene Wayang-Marionetten, die sie dann mit nach Deutschland gebracht hat. Diese Puppen haben mich schon als Kind sehr fasziniert – und kürzlich zu diesem Bild inspiriert.“ Im Vergleich zu den anderen Gemälden, die oft mit Kreisen und Rhythmen arbeiten als würden sie Melodien abbilden, ist es ein ungewöhnlicher Aspekt im noch jungen Werk. Katharina Eisenberg dazu: „Jedes meiner Bilder hat eine Geschichte – ich habe sie auch zu jedem Bild dazugeschrieben. Manchmal ist es die Entstehungsgeschichte, manchmal sind es meine eignen Assoziationen zum Inhalt. Ich empfinde beides, Farben und Klang, als Schwingung … wahrscheinlich ist es das, wie sich in mir Musik und Malerei verbindet.“ Ich sehe mir noch einmal die dynamischen Bilder an und schiele dabei auch auf den Preis: Mit zwischen 250 bis 450 Euro im Durchschnitt sind sie erschwinglich. „Ja, das ist mir wichtig“, bestätigt Katharina Eisenberg. „Ich freue mich, wenn meine Kunst gekauft wird und sich viele Menschen mit einem Bild umgeben, das sie mögen. Deshalb male ich auch gerne im Auftrag…“
Als ich mich verabschiede, überlege ich, welche wundersamen Wege das Leben manchmal geht: Die Großmutter von Katharina Eisenberg muss viel Tatkraft und Pioniergeist besessen haben - schließlich hat sie als Erwachsene später, ganz gut angepasst, mitten in Deutschland gelebt. Ganz offensichtlich hat sie ihre Fähigkeit, sich auf neue Orte und Menschen einzulassen, ohne sich aufzugeben, an diese junge Künstlerin weitergegeben, die als Malerin mit einer unverwechselbaren ihren ganz eigenen-musikalisch-künstlerischen Weg geht.
Text/Foto: Verena Wolf