Aufgeweckt, agil, quirlig, bunt – so könnte man Steffi Baier beschreiben, doch leider würde das nur einen Bruchteil der Wahrheit abbilden. Sie ist Regisseurin, Theaterfrau und Musikerin und schenkt seit geraumer Zeit dem Oberland immer wieder spannende und anmutende Theatergeschichten.
Als wir telefonisch unseren Gesprächs-Termin vereinbaren, sprüht Steffi wie immer voller Ideen und Gedanken. Einer davon lässt mich bis zum Interview nicht mehr los: „Miesbach wird für mich groß und größer…“ Wie meint sie das wohl? Vielleicht in diesem Sinne, dass Steffi Baier als Regie und Theaterfrau mittlerweile im Oberland berühmt und berüchtigt ist? So dass bei unserem Interview im Grünen eine Bekannte im Vorbeigehen mich begrüßt und gleichzeitig frägt, was ich da mit ihrer Freundin Steffi mache... Ja was mache ich hier mit Steffi – es ist kein „normales“ Interview mit Frage-Antwort, vielmehr wird sich in der nächsten Stunde ein philosophisches Gespräch über Miesbach, das Oberland und die Theaterwelt entfalten.
Auf dem Land daheim
Steffi Baier ist in Willing bei Bad Aibling in bäuerlichem Umfeld aufgewachsen, ihre Liebe zum Ländlichen ist also bereits in der Kindheit verankert. Über München, Tegernsee und Wall ist sie aktuell in Irschenberg „zwischengelagert“ an einem Ort, der zwischen Himmel und Erde hängt, wie sie mit einem Lachen beschreibt. Wenn das ein Dauerzustand wird, muss man sich fragen, ob man irgendwann fällt oder ob es vielleicht genau passt, weil es die Mitte ist? Im Moment passt es auf jeden Fall sehr gut, sie fühlt sich mit ihrem Mann Roland Metzner - Gitarrenbauer, Musiker und leidenschaftlicher Segler sehr wohl. Und im übertragenen Sinn ist Irschenberg auch ihr Weitblick in alle (beruflichen) Richtungen: von Salzburg bis München und darüber hinaus.
Theater soweit das Auge reicht
Beruflich bewegt sie sich nämlich immer wieder im Oberland und in der Ferne. Sie inszenierte am Münchner Residenztheater und dem Tegernseer Volkstheater, bei den Luisenburg Festspielen in Wunsiedel, den Waller Brettlhupfern, dem Landestheater Niederbayern und in der Holledau. Aktuell sind drei ihrer Stücke am Start: „Love Letters“ in Miesbach, „Gretchen 89ff“ beim Freisinger Kultursommer und „Die Hinrichtung“ im September am Irschenberg.
Sie arbeitet sowohl mit Profis als auch mit Amateuren. Der größte Unterschied in dieser langen heterogenen Arbeit, so erklärt sie mir, besteht im Umgang mit Sprache. Sprache ist in der Theaterwelt ihre Leidenschaft - sie schwärmt von Tonaufnahmen mit Gert Anthoff und davon wie man im dunklen Theater mit Spannung auf den ersten Satz des Abends wartet. Überhaupt zeichnet sich das Theater per se durch Abwechslung von Sprache und Stille aus, gleich einem Licht- und Schattenspiel. Für Steffi Baier kommt das Theater aus der Stille und kehrt auch wieder dorthin zurück.
Miesbach und das traditionelle Oberland
Warum sie Miesbach so gerne mag, frage ich sie und sofort antwortet die aufgeweckte Wahl-Irschenbergerin in einem tiefen, liebenswerten Bairisch. Für Steffi Baier ist Miesbach eine Kreisstadt mit bäuerlichem Charakter – mit viel Tradition und gelebtem Handwerk. Das gefällt der quirligen Frau besonders. Die Stadt liegt wie in einem Kessel mitten in den Bergen und aus allen Richtungen kommen Menschen nach Miesbach zum Einkaufen und zum Markt. Als sie letztens in einem Café am Marktplatz sitzt, inspiziert sie mit ihrer Mama die Zunftzeichen des Maibaums und stellt fest, dass hier Berufe abgebildet sind, „do kimmst du erstmoi gar ned drauf...“
Eindeutig sind die Läden, das Handwerk und die „Viecher“, das was Miesbach für sie so besonders macht. Im Vergleich zu ihrem Geburtsort Willing – hier gibt es auch Tiere, aber die sind in Laufställen weggesperrt, das ist hier im Oberland anders. Gleichzeitig verspürt Baier aber auch eine Offenheit - ein bissal Buntes, das andere Dinge entstehen lässt. „Hier gibt es zum Beispiel ein Yogastudio von Freunden neben dem Dönerladen. Des andere ist eher leiser, aber des find‘ i gar ned schlimm.“ Zudem sprechen Steffi die vielen Traditionen und Rituale an. Für sie hat das alles Stil – bei Festen legt man Wert auf ein schönes G‘wand und die Frisur, man zelebriert das Leben. Man kennt sich in Miesbach, ebenfalls eine positive Eigenschaft des Landlebens. Und über der gemütlichen Innenstadt schwebt in Steffis Augen der Waitzinger Keller – einst Bierkeller. Bier ist in Bayern unberufen Kulturgut und die Regisseurin kommt gerade aus der Holledau von Proben zurück – auch hier spinnt sich für sie eine Verbindung, die irgendwie im Entferntesten mit Bier zu tun hat. Das fasziniert sie generell, dass alles irgendwie zusammenhängt. Der Miesbacher Bierkeller wurde damals von einer Frau, Susanna Waitzinger, zu einem Veranstaltungsort etabliert und „heute haben wir ein Kulturzentrum, in dem historisch wie jetzt schon immer so viel Schönes entstanden ist. Das ist ein riesen Pfund, ein Geschenk, wenn man so einen schönen Saal hat. Da fühl ich mich einfach dahoam – auch dank der Menschen, die hier arbeiten“.
Geschichte formt Geschichten
Auch der Reichtum an Geschichten fasziniert die umtriebige Rothaarige am Miesbacher Land. Egal ob Thoma, Ganghofer oder andere, sie hat hier das Gefühl immer noch ein bisschen in solche Geschichten einzutauchen, weil die Menschen, die hier rumlaufen, von irgendjemand abstammen, der so was noch erlebt hat. Wenn man Charakterköpfe sucht, findet man die hier noch. „Des is wohl der Genius loci, der Geist des Ortes, der uns olle irgendwie immer wieder eineziagt und es sind die Dinge schon lang‘ do, die wir wieder aufgreifen.“ Ihre Wurzeln führen sie von Willing, die Mangfall flussaufwärts, über Fentbach bei Weyarn ins Oberland, hier führt Steffis roter Lebensfaden viele Dinge für sie zusammen.
Neue Regiearbeit in Miesbach
Diese Beobachtung lenkt uns zum aktuellen Stück von Steffi Baier: Love Letters, das am 09. Juli im Miesbacher Kulturzentrum Premiere haben wird. Einer der Akteure Michael Pelzer schreibt im Programmheft sinngemäß, dass Familie und Wurzeln mehr Auswirkungen haben, als man denkt und man sich dem gar nicht entziehen könne.
Im Grunde ist es eigentlich kein Theaterstück im klassischen Sinne, vielmehr ist Love Letters ein Briefwechsel zweier Liebender, der als fast-szenische Lesung dargeboten wird. Man muss sich also aufs Hören und Fühlen einlassen. Die beiden Protagonisten können nicht zueinanderkommen und gerade deswegen, findet Steffi, passt das Stück in diese Zeit. In der wir, trotz Kontaktbeschränkungen, den anderen in der Entfernung spüren und fühlen können. Zudem schließt das Stück Love Letters für Steffi einen weiteren Kreis. In ihrer Ausbildung und späteren Theaterarbeit war sie unter Dieter Dorn an den Münchner Kammerspielen. Just 1993 als sie dort anfing, lief Love Letters immer noch im Werkraum mit Thomas Holtzmann und seiner Frau Gustl Halenke. Einem legendären Schauspieler-Ehepaar, das sich des Briefwechsels angenommen hatte. Steffi hatte sich damals, obwohl die Inszenierung gefeiert wurde, keine Vorstellung angesehen. Nun rund 28 Jahre später kommt das Stück über das Ehepaar Theresia Benda-Pelzer und Michael Pelzer zu ihr…
Mit derartigen feinsinnigen Gedanken von Steffi Baier könnte man noch viele Seiten füllen, doch am besten ist es man erlebt sie und ihre bezaubernden Inszenierungen live!
Nach diesem Gespräch bin ich mir mehr und mehr sicher: Steffi ist eine begnadete Regisseurin, das wusste ich schon lange, aber sie ist auch eine begabte Philosophin und Lebensbeobachterin geworden.
Love Letters: 09., 10. & 16. Juli 2021 je 20:00 Uhr im Kulturzentrum Waitzinger Keller
Tickets telefonisch unter 08025 7000-0 oder ticket@waitzinger-keller.de
Gretchen 89ff: 17. Juli 2021 19:30 Uhr Freisinger Kultursommer
Tickets telefonisch unter 08161 54-44 333 oder tickets@freising.de