Der parteilose Miesbacher Stadtrat Manfred Burger (66) und seine Frau Eva (65) sind aus der Öffentlichkeit im Landkreis nicht wegzudenken. „Die Burgers“ wie sie respektvoll genannt werden, sind die prominentesten Vertreter des Naturschutzes und stehen für unbedingtes Engagement. Ein Interview anlässlich des 50jährigen Bestehens der BN Kreisgruppe Miesbach…
Begeisterungsfähig und engagiert
„Wenn ich heute zurückblicke, erkenne ich, dass der Naturschutz eines meiner Lebensthemen ist“, sagt Manfred Burger nachdenklich. Der studierte Mathematiker kam allerdings erst zum Naturschutz, als er schon längst Vater, „Siemensianer“ und in Miesbach angekommen war. Evi Burger war dagegen schon als Jugendliche klar, wie viel das Leben und die Schöpfung für sie bedeuten. „Ich bin ein Fan der Biologie“, sagt sie und erzählt, dass sie nach dem Abitur, das sie 1976 am Thomas-Mann-Gymnasium in München ablegte, zunächst Biologie-Lehrerin werden wollte. Sie entschied sich dann aber nach Absolvierung eines Sozialen Jahres für die Ausbildung zur biologisch-technischen Assistentin (BTA) und ging 1979 an die damals noch junge Universität Bayreuth. „Ich hatte mich für die Stelle am Tierökologie-Lehrstuhl für Entomologische Grundlagenforschung beworben und war froh, dort mit Insekten arbeiten zu können. An einem anderen Biologie-Lehrstuhl in Bayreuth wurde an Mungos geforscht.“ Evi schüttelt sich noch nachträglich – es wäre auch nicht auszudenken gewesen, wenn ein sanfter Mensch wie sie gezwungen gewesen wäre, nach aufwändiger Pflege Hand an diese pelzigen und wendigen Raubtiere zu legen, um der Tierphysiologie neue Erkenntnisse zu liefern.
Auf einer Studienfahrt, organisiert von den Bayreuther Studentengemeinden, lernte Evi dann Anfang der 80er Jahre ihren Manfred kennen. Dieser, ein bekennender Hardrock-Fan aus dem oberpfälzischen Pechbrunn, studierte damals Mathematik in Bayreuth. Als 1984 in der Kirche in Manfreds Heimatgemeinde geheiratet wurde, war er bereits Software-Entwickler bei Siemens in München Neuperlach-Süd und widmete sich dort 32 Jahre lang der Verbesserung der „Mensch-Maschine-Schnittstelle“. Der erste Sohn Martin kam noch in Bayreuth zur Welt, bevor die junge Familie 1985 nach München umzog.
Ankommen in Miesbach
Nachdem die junge Familie, inzwischen um Sohn Thomas gewachsen, fast vier Jahre in München gelebt hatte, führte die Wohnungssuche sie nach Miesbach, wo sie 1989 in ihr Haus Auf der Grün zog. Für die junge Mutter Evi Burger ging damit ein Traum in Erfüllung. Denn schon die Lage am Stadtwald war für sie und die Buben, zu denen sich 1991 noch Sohn Wolfgang gesellte, einfach ideal. „Unsere Kinder hatten hier eine schöne Kindheit“, sind sich Manfred und Evi einig. „Der Wald und der Märchenweiher vor der Tür…“ „Und ich als Stadtkind“, sagt Evi, „bin sofort in Miesbach heimisch gewesen. Ich habe mich auch gleich im Kirchenchor angemeldet und singe dort ja bis heute.“ Auch Manfred engagierte sich umgehend auf seine Art für die Gemeinschaft. Er hatte nämlich ausgerechnet, wie man einen der großen Müllcontainer in der neuen Siedlung einsparen konnte. Müllvermeidung war damals, zu Beginn der 1990er-Jahre, ein Riesenthema, das die ganze Gesellschaft bewegte. „Das bessere Müllkonzept“, eines der ersten größeren Volksbegehren in Bayern, wurde von Berchtesgaden bis Würzburg hitzig diskutiert. Nicht nur um den Müll selbst ging es, sondern auch darum, ob sich Bürger überhaupt aktiv ins politische Geschehen einmischen dürfen. Für Manfred Burger war und ist der Wert von Basisdemokratie gar keine Frage. Er nahm, um dem Volksbegehren vor Ort zu mehr Gewicht zu verhelfen, Kontakt zum BUND Naturschutz (BN) in Miesbach auf – nicht wissend, wie schicksalhaft dieser Schritt für ihn und seine Frau werden sollte.
Der BUND Naturschutz im Landkreis Miesbach
„50 Jahre Kreisgruppe Miesbach“, sagt Manfred Burger fast ein wenig andächtig und erklärt, wie es Anfang der 1970er-Jahre dazu kam. „Es waren zwei Ereignisse, die 1971 in Miesbach zur Gründung der Kreisgruppe führten: Der Startschuss auf überregionaler Ebene fiel mit der Wahl von Hubert Weinzierl zum Vorsitzenden des Bund Naturschutz Landesverbandes Bayern.“ Dieser beauftragte den damaligen Landesgeschäftsführer Helmut Steininger und Hubert Weiger (damals noch Zivildienstleistender beim BN) damit, in ganz Bayern Kreisgruppen zu gründen. Zu just dieser Zeit schlugen in Miesbach die Wellen hoch, stand doch die Rotwand, einer der geliebten Hausberge, in Gefahr, mit einem ganzen System von Skiliften überzogen zu werden. Widerstand formierte sich unter Lotte Pichler und anderen. Ihre Bürgeraktion „Rettet die Rotwand“ geriet zum Erfolg – nicht zuletzt auch dank der nicht nur finanziellen Unterstützung durch den BN. Kein Wunder, dass sich 1971 dann in Miesbach eine Kreisgruppe gründete, deren 1. Vorsitzender fast von Anfang an und Anfang der 90er-Jahre immer noch Werner Fees war, als Manfred Burger zum neuen Mitglied im Bund Naturschutz wurde. Es kam, wie es kommen musste: Aus dem anfänglichen Interesse wurde eine tiefe Verbundenheit mit dem BN. 1993 wurde Manfred Burger auf der Jahreshauptversammlung zum Stellvertretenden Delegierten gewählt, ein Jahr später zum 1. Vorsitzenden. Werner Fees, nun sein Stellvertreter, half bei der Einarbeitung in die Geschäfte des BN und nahm den „neuen Mann“ mit hinaus zu den Brennpunkten und Menschen im Landkreis.
Mit Herz, Verstand und viel Einsatz
Wer je mit Manfred Burger zu tun hatte, weiß, dass die individuelle Erscheinung Hand in Hand geht mit einem wachen, schnellen Verstand, einem großen Herzen und enormer und konstanter Arbeitsleistung. Mit dieser Kombination gelang es ihm rasch, die Problempunkte im Landkreis zu erkennen, an denen der Bund Naturschutz eingreifen musste. Immer vorbehaltlos unterstützt von seiner Evi, brachte er die richtigen Menschen zusammen und baute ein Netzwerk auf, in dem sich die Mitglieder der Kreisgruppe ebenso wohl fühlen wie die vielen Helfer, die seit Jahren in Wald und Flur unterwegs sind, wenn es gilt, der Natur zu helfen. Und da gibt es viel zu tun: Da sind einmal die ganz konkreten Arbeiten, wie das Eindämmen der Neophyten, die unsere heimische Pflanzenwelt überwuchern. Denken Sie einmal an die großen Bestände des Indischen Springkrauts, an den hochgiftigen Riesen-Bärenklau oder den wild wuchernden Staudenknöterich, den vor allem Evi Burger mit ihren Helfern Jahr für Jahr in Miesbach ausgräbt, abschneidet, zusammenträgt und mit Hilfe des städtischen Bauhofs entsorgt. Da sind die Amphibien, vor allem die Kröten, deren Bestand sich bei uns im Landkreis dank der alljährlich sorgsam betreuten Amphibienzäune behaupten kann. Auch hier ist körperlicher Einsatz gefragt, müssen die Tiere doch eingesammelt, Stück für Stück behutsam in Eimer gesetzt und über die Straße auf die andere Seite getragen werden, damit sie ihren Weg fortsetzen können.
Neben dieser Basisarbeit geht es natürlich ums Große: Der BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN), schon 1913 gegründet, ist einer der ältesten und mit rund 260.000 Mitgliedern und Förderern größte Umweltverband im Freistaat. Das Murnauer Moos, den Donaudurchbruch bei Weltenburg, die Schönheit des Königsees oder den Nürnberger Reichwald gäbe es ohne das aktive Eingreifen des BN so nicht mehr. Gefährdete Tierarten wie Luchs und Biber wären nicht nach Bayern zurückgekehrt, wenn der BN nicht aktiv dabei mitgeholfen hätte. Auch Themen wie den Bio-Landbau, die Anti-Atomkraftbewegung oder die bayerischen Nationalparks hat der BN mit auf den Weg gebracht. Was weit weg von unserem Alltag klingt, hat doch direkte Auswirkungen auf die Menschen hier – so ist der Landkreis (vielleicht mithilfe der Grundlagen-Arbeit des Miesbacher BN-Teams) mittlerweile eine Ökomodellregion, mit Initiativen wie „Miesbacher-Weidefleisch“ etc. und hat besonders viele, intakte Bio-Höfe. In unzähligen Aktionen, die unserer Presse – zu der ein exzellentes Verhältnis aufgebaut wurde – stets begleitet, sind auch ganz spezifische Miesbach-Themen immer wieder im Fokus: Der Erhalt der einzigartigen Haglandschaft, der Kampf für die Artenvielfalt vor Ort, für ein umweltbewusstes Leben und eine naturnahe Landwirtschaft möglichst ohne Pestizide, Bodenverdichtung und Monokulturen. All das stemmen Burgers seit Jahren mit ungeheurem ehrenamtlichem Einsatz.
Kraftquellen
Inzwischen ist unser Gespräch zu einem lebhaften Rückblick auf die bewegten vergangenen Jahrzehnte geworden. Als ich frage, welche Erlebnisse Burgers aus dieser Phase lebhaften Engagements am stärksten in Erinnerung geblieben sind, sind sich beide spontan einig: „Die Arbeit mit der Jugend, vor allem die Zeltlager“. 1995 hatte Evi Burger mit den Erfahrungen als zweifache Kommunion-Mutter die erste Kindergruppe gegründet – gut beraten von der JBN, der Jugendorganisation des BN mit Büro in München. Mit den Miesbacher Kindern, die damals begeistert dem Leben in Wald und Wiese auf der Spur waren, ging es einmal im Jahr zu den interessanten Zeltlagern der JBN in Bayern. „Da waren dann 200 bis 300 Kinder beisammen“, erzählen die Burgers und berichten von Themen-Zeltlagern wie dem Wasserkulturfest in Königsdorf. „Ich liebe die Arbeit mit Kindern, weil sie in sich so sinnvoll ist. Ich kann etwas weitergeben, ich genieße den Austausch mit den Kindern, die Gemeinsamkeit. Mir hat damals auch Spaß gemacht, wieder in einem Team mit Erwachsenen von der JBN zu sein und kreativ gemeinsam zu arbeiten.“
Und noch aus einem anderen Arbeitsfeld schöpfen Burgers Kraft: „Wir haben ja immer wieder Infostände – da ist es jedes Mal wohltuend zu bemerken, wie viele Menschen im Grunde für den Naturschutz sind.“ Dazu muss man wissen, dass Burgers jeden dieser Infostände mit Umsicht betreiben. Die Präsentation mit Plakaten und Infomaterial wird besprochen, kleine und große Aktionen wollen vorbereitet sein – und sei es „nur“ ein Blumenquiz samt Preisen für die Schulkinder, die solche Aufgaben lieben und begeistert mitmachen. Natürlich ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Engagierten wie der „Zivilcourage“ oder der „Mangfall-Allianz“ immer wieder Bestätigung und Motor.
Blick in die Zukunft
Wenn Burgers über den Sinn der Arbeit in den vergangenen Jahren nachdenken, dann sehen sie deutlich, dass das Bewusstsein für die Wichtigkeit des Naturschutzes im Land gestiegen ist. Andererseits ist auch offensichtlich, dass viele Menschen den direkten Bezug zur Natur verloren haben. „Zu viele können keinen einzigen Vogel mehr benennen. Können Blau- und Haubenmeise nicht mehr unterscheiden, kennen den Fichtenkreuzschnabel und Pirol nicht mehr – von Amphibien wie der Gelbbauchunke oder Bodenbrütern wie dem Rebhuhn oder der Bekassine ganz zu schweigen“, ist Evi traurig. Auch dass die Kinder lieber mit elektronischen Geräten spielen, als sich in der Natur zu bewegen, bereitet den beiden Kopfzerbrechen. Alpenpflanzenwanderungen und andere Aktivitäten sollen dazu beitragen, dass bei Erwachsenen und auch Kindern das Verständnis für die Natur wieder wächst. „Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, ist ein Leitspruch, dem Evi und Manfred Burger immer treu waren und auch weiterhin sein werden.