Morgen steht er wieder oben auf der Bühne, mit alter Lederhose, Hemd, vermooster Weste und dem blauen Spitzhut mit Hahnenfeder und erzählt von seinen Beobachtungen im vergangenen Jahr in der Kreisstadt. Der Wassergeist vom Miaschboch alias Nikolaus Ruml ruft zum Derblecken im Miesbacher Bräuwirt und zahlreich werden die Miesbacher ihm wieder interessiert lauschen.
„Ich habe so meine Quellen“, sagt Nikolaus Ruml mit einem Grinsen im Gesicht. Wer die sind, kann an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden – nur so viel: „Der Postbote weiß zum Beispiel alles.“ Der Fastenredner von Miesbach steckt in der heißen Phase und freut sich schon auf die Reaktionen des Publikums beim diesjährigen traditionellen Starkbieranstich im Bräuwirt. Die fallen an den zwei Festabenden übrigens ganz unterschiedlich aus verrät er. Denn nicht alle lachen an den gleichen Stellen seiner Fastenpredigt. „Wenn die angesprochenen Personen vor Ort sind ist das nochmal eine ganz andere Atmosphäre“, erklärt Nikolaus Ruml. Beleidigt sei ihm im vergangenen Jahr übrigens noch keiner gewesen. „Das ist ja die große Kunst beim Derblecken, dass man nicht beleidigt, aber schon Kritik äußert.“ Diesen Spagat hat er bei seiner Premiere 2023 geschafft, wenn er auch Respekt vor dieser hatte. Denn er trat damit in die Fußstapfen des bisherigen Fastenpredigers Bruder Oberitas alias Wolfgang Ober, der das Derblecken 2006 in Miesbach etablierte.
Zeit für was Neues
Die Bühne an sich lässt Nikolaus Ruml jedenfalls nicht ins Schwitzen geraten, denn als erfahrener Theaterschauspieler des Trachtenvereins und der Jungen Bühne Miesbach sowie als Gitarrist mit seiner Band „Bieramiden“, kennt er diese wie seine Westentasche. „Nur alleine bin ich bisher noch nicht draufgestanden, das ist schon was anderes“, erklärt er. Die Schauspielerei faszinierte den Miesbacher schon immer, auf dieser soll zukünftig auch sein beruflicher Fokus liegen. Nach zwölf Jahren hat er sein Geschäft „Der Musikant“ verkauft - „Es war Zeit für was Neues.“
In den BR-Sendungen „Komödienstadl“ und „Dahoam is dahoam“ spielte er schon kleine Nebenrollen. Mit dem Wassergeist hat er sich selbst eine neue Figur ausgedacht, die den Miesbachern und vor allem der Politprominenz die Leviten liest. „In der Figur redet man natürlich viel freier. Das würde ich mich gar nicht trauen, was der Wassergeist alles sagt“, erklärt er schmunzelnd. Dieser lebt unter der Stadt, eben im Miesbach, der seinen unterirdischen Weg von Kleinthal in Richtung unterer Marktplatz zieht. „Dadurch bekommt der Wassergeist alles mit und erscheint dann in Menschengestalt, um über das zu sprechen was er so weiß.“
Hintersinnige Witze und gehaltvolles Bier
Aufmerksamen Festbesuchern dürfte Nikolaus Ruml schon aus den Einaktern bekannt sein, welche die Theatergruppe des Trachtenvereins immer im Anschluss der Fastenpredigt spielt. So ist er auch zu seinem neuen „Job“ gekommen. Bräuwirt-Chefin Hanni Huber hätte ihn angesprochen, nachdem Bruder Oberitas 2018 zum letzten Mal die Fastenpredigt in Miesbach gehalten hatte. „Ich habe mir schon immer gedacht, das könnte ich eventuell auch, als es dann konkret wurde, musste ich aber schon nochmal überlegen, denn das bedeutet auch viel Vorbereitung“, gibt er zu. Etwa eine Dreiviertelstunde dauert seine Fastenpredigt, aber die Momente bis zum ersten Lacher sind entscheidend. Vergangenes Jahr musste er aufgrund der Pandemie drei Jahre Geschehen aufarbeiten. Heuer ist es zwar nur ein Jahr, „aber das Buch ist genauso dick wie letztes Jahr.“
Das ganze Jahr über sammelt er seine Informationen und Gerüchte in einem kleinen Notizbuch, bekommt Tipps zugesteckt und liest sich durch den Lokalteil der Zeitung. „Man freut sich immer, wenn man wieder was Interessantes gefunden hat.“ Aktuelle Geschehnisse kommen auch mal noch kurz vor knapp mit rein, „die sind als Witz natürlich dankbarer.“ Spontane Neckereien in Interaktion mit dem Publikum haben aber immer Platz. So wird er auch in diesem Jahr den Politikern und Miesbachern den Spiegel vorhalten. „Man muss schon auch was aushalten können“, sagt der Wassergeist. Ermahnend, aber mit hintersinnigem Humor derbleckt er „gehaltvoll wie ein Starkbier, das genauso lustig macht.“